Pinkerton-Detektei: Die Erfinder moderner Ermittlungsmethoden (2024)

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Niemand achtete auf die drei Männer, die am Abend des 6. Oktober 1866 in Seymour im US-Bundesstaat Indiana in den Zug der Ohio and Mississippi Rail Road stiegen. Teilnahmslos starrten die Passagiere aus dem Fenster und ließen die Landschaft an sich vorbeirauschen. Kurz hinter Seymour verließen die drei unauffällig das Abteil und standen eine Weile auf der für die damaligen Züge typischen Außenplattform herum. Niemand ahnte Böses.

Urplötzlich zogen alle drei Männer ihre Revolver, stülpten sich Masken übers Gesicht und traten die Tür zum nächsten Waggon ein. Er gehörte dem Postzusteller Adams Express, der darin Pakete, Briefe und Wertsachen transportierte. Perplex starrte der Kurier, der die Lieferung begleitete, die drei maskierten Gangster an. Sie rafften alles zusammen, was von Wert war, zogen die Bremse, öffneten die seitliche Waggontür und sprangen hinaus, im Gepäck ihre reiche Beute von mehr als 10.000 US-Dollar. Sekunden später hatte die Dunkelheit sie verschluckt.

Adams Express holte sofort zum Gegenschlag gegen die Reno-Brüder aus und setzte den besten Detektiv auf den Fall an, den es im Mittleren Westen gab: Allan Pinkerton aus Chicago. Die Jagd auf die Reno-Brüder war der Auftakt eines jahrzehntelangen, blutigen Privatkriegs, den Pinkerton gemeinsam mit seinem Sohn William gegen die verruchtesten Bank- und Eisenbahnräuber des Mittleren Westens führte. Der zähe und oft gefährliche Kampf gegen Gangster wie Jesse James und Butch Cassidy machte die Pinkertons zur unsterblichen Wild-West-Legende - und zur Blaupause für Detektive.

"Wir schlafen nie"

Als Pinkerton 1866 den Fall übernahm, war er bereits ein überaus renommierter Detektiv. Er hatte etliche Falschmünzer entlarvt, Raubüberfälle aufgeklärt und 1861 sogar ein Attentat auf den neu gewählten Präsidenten Abraham Lincoln vereitelt. "Wir schlafen nie", war auf seinem Firmenlogo zu lesen. Darüber prangte ein offenes Auge, was Pinkerton irgendwann den Spitznamen "The Eye" eintrug. Eisenbahngesellschaften, Banken und andere Unternehmen, die sich von den staatlichen Ordnungshütern nicht ausreichend geschützt fühlten, beauftragen Pinkerton. Zu Boomzeiten hatte die Detektei 2000 Agenten im Einsatz.

Hoch anerkannt waren seine modernen Methoden. Zum einen setzte er auf verdeckte Ermittler, die sich in das Milieu der Täter einschlichen, das Vertrauen des Umfelds erwarben und so ungefilterte Informationen abgriffen. Zum anderen war er der Erste, der mit Fahndungsfotos arbeitete und über jeden Verbrecher eine Akte führte, in der alle Informationen, die er über den Gangster sammeln konnte, vermerkt waren. Zudem galt er als extrem hartnäckig, was damals essentiell war. Denn die Verbrecher wurden nicht über Peilsender oder Handy geortet. Die Detektive schnallten sich ihre Pistolengürtel um, stiegen auf ihre Pferde und ritten dorthin, wo das Verbrechen geschehen war. Sie befragten die Leute, nahmen Spuren auf und verfolgten sie manchmal über Wochen und Monate.

Pinkerton-Detektei: Die Erfinder moderner Ermittlungsmethoden (1)

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Die "Pinks": Verbrecherjagt im Wilden Westen

Noch im Oktober 1866 setzte Pinkerton einen verdeckten Ermittler auf die Reno-Brüder an. Er hieß Dick Winscott und eröffnete einen Saloon in Seymour. Wie erwartet, kamen die Brüder bald in die neue Kneipe, um sich zu amüsieren. Winscott gewann ihr Vertrauen und konnte sie sogar fotografieren. Bruder für Bruder nahm Pinkerton schließlich dank der Fahndungsfotos im Laufe des Jahres 1868 fest. Frank Reno, den Anführer der Bande, verfolgte er sogar bis Kanada, wo er ihn schließlich festnahm. Zu einem Prozess kam es allerdings nicht mehr. Frank Reno wurde von maskierten Männern des Southern Indiana Vigilance Committee, eine Art Bürgerwehr, entführt und gelyncht.

Der Bandit ohne Gesicht

Dass Pinkerton wie eine private Polizei agieren konnte lag vor allem daran, dass es landesweit keinen funktionierenden Polizeiapparat gab. In Chicago beispielsweise, wo das Hauptquartier der Pinkertons war, kamen auf 30.000 Einwohner gerade einmal zwölf Polizisten, die mit der Aufgabe, für Recht und Ordnung zu sorgen, vollkommen überfordert waren. Noch viel angespannter war die Situation in den ländlichen Regionen, wo die Sheriffs als Einzelkämpfer letztlich nichts ausrichten konnten. Die Pinkertons füllten diese Lücke.

Pinkertons Ausdauer bekam vor allem Jesse James zu spüren, der die James-Younger-Bande anführte. Die Gang raubte Banken aus, überfiel Züge, brandschatze und mordete. 1867 hefteten sich die ersten Pinkerton-Agenten an ihre Fersen. Die Jagd nach James erwies sich allerdings als besonders schwierig - niemand wusste, wie er aussah. Das einzige Foto, das es von ihm gab, hing in einem Medaillon um den Hals seiner Mutter. Er war der Bandit ohne Gesicht - und damit nahezu unerreichbar.

Dennoch gab Pinkerton nicht auf. 15 Jahre lang verfolgten er und seine Agenten James und seine Gang. Auch wenn sie den gefürchteten Verbrecher nie zu fassen bekamen, setzten die Pinkertons ihn doch massiv unter Druck. Es heißt, James habe am Ende unter akutem Verfolgungswahn gelitten und niemandem mehr getraut.

Die Kontrahenten waren wie besessen voneinander. "Ich weiß, dass Gott mir Allan Pinkerton eines Tages auf dem Silbertablett liefern wird," soll James einst gesagt haben. Pinkerton hielt gegen: "Wenn wir uns treffen, bedeutet das den Tod." Zu dem Showdown, den sich Pinkerton und James heimlich erträumten, kam es nicht. Bob Ford, der mit James einige Überfälle durchgezogen hatte, erschoss James 1882 und kassierte dafür das ausgesetzte Kopfgeld in Höhe von 10.000 Dollar.

"Sie sind immer einen Schritt hinter mir"

1884 starb Pinkerton. Sein Sohn William verschrieb sich in den 1890er Jahren wie sein Vater der Jagd auf Butch Cassidy und Sundance Kid, die mit ihrer Gang "The Wild Bunch" ebenfalls etliche Banken und Züge ausgeraubt hatten. Das Duo flüchtete vor William Pinkerton erst nach Argentinien und später nach Bolivien. "Sie sind immer einen Schritt hinter mir. Deshalb muss ich ständig weiterziehen", sagte Cassidy über seine Verfolger, die ihm bis nach Bolivien gefolgt waren. Den großen Fang konnte aber auch William nicht machen. 1908 kamen Cassidy und Sundance Kid in Bolivien ums Leben. Die Umstände ihres Todes wurden nie ganz geklärt.

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Obwohl sich die Pinkertons über die Jahre einen legendären Ruf als unerbittliche Gangsterjäger erarbeitetet hatten, bekam die Detektei gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein schweres Imageproblem. Grund war ein zwar sehr lukrativer, aber nicht sehr angesehener Geschäftsbereich. Die Pinkertons bewachten auch Fabrik- und Lagerhallen, spionierten die Mitarbeiter von großen Unternehmen aus, die angeblich geklaut hatten. Außerdem installierten sie Maulwürfe in den Gewerkschaften. In der Arbeiterschaft kam das nicht gut an. In ihren Kreisen waren die Pinkertons bald verschrien - zumal die Agenten oft als Streikbrecher auftraten.

Nichtsdestotrotz waren die von Allan Pinkerton entwickelten Recherchemethoden so effektiv, dass sich die US-Regierung beim Aufbau des Federal Buerau of Investigation (FBI) im Jahr 1908 seine Detektei zum Vorbild nahm - schlechtes Image hin oder her.

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Author: Kareem Mueller DO

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